Wie können wir helfen?

Betriebsvereinbarung [MUSTER]

Vereinbarung zur Einführung des Hinweisgebersystems

Die Einführung oder Anwendung von digitalen Meldesystemen kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG auslösen. Wir stellen Ihnen ein Muster für eine Betriebsvereinbarung zur Verfügung.

 

 

Betriebsvereinbarung Hinweisgebersystem („Whistleblowing“)

§ 1 Geltungsbereich

 

1.1.   Die Betriebsvereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 BetrVG.

 

1.2   Der Arbeitgeber verpflichtet die leitenden Angestellten durch verbindliche Anweisung dazu, die in dieser Betriebsvereinbarung vereinbarten Regelungen einzuhalten.

§ 2 Begriffsbestimmungen

 

2.1 Hinweisgebende Personen oder Whistleblower sind Arbeitnehmer, die im Betrieb oder Unternehmen stattfindende Rechtsverstöße oder grobe Missstände melden, die ihnen bekannt sind.

 

2.2 Ein Hinweis ist jede Mitteilung an den Arbeitgeber oder an eine zuständige staatliche Stelle, durch die ein Hinweisgeber auf Rechtsverstöße oder grobe Missstände hinweist, von denen hinweisgebende Personen wissen.

 

2.3 Eine Benachteiligung von hinweisgebenden Personen ist jedes Verhalten oder Handeln des Arbeitgebers und anderen Arbeitnehmern, durch das nach einem Hinweis die jeweiligen hinweisgebenden Personen benachteiligt, sanktioniert, diskriminiert, schlechter gestellt oder herabgewürdigt werden, einschließlich jeder Verhaltensweise, die darauf zielt, vor weiteren Hinweisen abzuschrecken.

 

2.4 Ein Hinweis wird gutgläubig gegeben, wenn hinweisgebende Personen einen Grund zur Annahme haben, dass die von ihnen zu meldenden Tatsachen richtig sind und dass sie nach ihrer Überzeugung einen Umstand darstellen, der zu einem Schaden oder Nachteil für Betrieb oder Unternehmen führen kann.

§ 3 Verfahren zum Hinweisgeben, Meldesystem

 

3.1 Arbeitnehmer sollen von ihnen erkannte Rechtsverstöße, grober Missstände sowie Verstöße gegen anwendbare Verhaltenskodizes oder Ethikrichtlinien melden. Hierzu werden sie vom Arbeitgeber ausdrücklich ermutigt. Soweit Arbeitnehmer einen begründeten Anlass zur Annahme haben, dass der erkannte Sachverhalt eine schwere Straftat darstellt oder zu schweren Schäden für den Betrieb führen kann, besteht eine Hinweispflicht. Die Hinweispflicht entfällt, sofern der Sachverhalt den Entscheidungsberechtigten im Unternehmen bereits für den meldenden Mitarbeiter erkennbar bekannt ist oder sofern nach der Strafprozessordnung ein Zeugnisverweigerungsrecht bestünde (z.B. falls die mitarbeitende Person sich selbst oder einen Ehegatten beschuldigen würde).

 

3.2 Hinweise sollten eine möglichst vollständige Schilderung der beobachteten Sachverhalte beinhalten und durch geeignete Unterlagen untermauert werden, soweit Arbeitnehmer hierüber verfügen und befugt sind, diese weiterzugeben. Hinweise sind aber auch ohne beigefügte Unterlagen zu bearbeiten, wenn der mitgeteilte Sachverhalt plausibel ist.

 

3.3 Adressaten der Hinweise können die jeweiligen Vorgesetzten oder andere sachlich zuständige Personen sein. Darüber hinaus sind sie jederzeit berechtigt, Hinweise direkt an die Geschäftsführung zu richten. Ist es für Hinweisgeber aus ihrer Sicht nicht zumutbar, sich an die vorgenannten Personen zu wenden, können sie Hinweise (anonym) über die interne Meldestelle einreichen. Nach Erhalt von Hinweisen sind die jeweiligen Empfänger bezüglich der Person der Hinweisgeber zur Vertraulichkeit verpflichtet, es sei denn, diese sind mit der Nennung ihres Namens ausdrücklich einverstanden. Keine Pflicht zur Vertraulichkeit besteht, wenn sich Hinweise auf strafrechtliche Offizialdelikte beziehen, für die es eine Anzeigepflicht gibt und wenn nach einer Anzeige entsprechende Nachfragen der Strafermittlungs- oder Strafverfolgungsbehörden erfolgen.

 

3.4 Hinweisgebenden Personen ist der Eingang eines Hinweises durch die jeweiligen Adressaten spätestens 7 Tage nach Hinweiseingang auf dem Schriftweg zu bestätigen. In der Folge sind sie spätestens nach 3 Monaten umfassend über die konkret getroffenen Maßnahmen zu informieren, die im Betrieb ergriffen werden, soweit dem nicht Rechte anderer Personen entgegenstehen.

 

3.5 Hinweisgebende Personen  werden ermutigt, Hinweise unter ihrem Namen einzureichen. Sind sie hierzu nicht bereit, insbesondere weil sie persönliche Benachteiligungen nicht ausschließen können, können Hinweise auch anonym erfolgen.

§ 4 Schutz der hinweisgebenden Personen

 

4.1 Jede Benachteiligung von hinweisgebenden Personen, die im Zusammenhang mit ihrem Hinweis stehen, ist verboten und stellt im arbeitsrechtlichen Kontext eine schwere arbeitsrechtliche Pflichtverletzung der Person dar, die für die Benachteiligung verantwortlich ist.

 

4.2 Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass gutgläubig handelnde Hinweisgeber nach einem Hinweis, insbesondere vor Benachteiligungen oder vor jeder Art von negativen Auswirkungen seitens des Arbeitgebers, anderen Arbeitnehmern, leitenden Angestellten oder Dritter umfassend geschützt werden. Er ist insoweit nicht nur für eigenes Tun oder Unterlassen verantwortlich, sondern auch für das der von ihm beschäftigten oder beauftragten Personen.

 

4.3 Teilen hinweisgebende Personen mit einem Hinweis vorsätzlich Unwahrheiten, unzutreffende oder nur durch Gerüchte begründete Sachverhalte mit, kann dies auch zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.

§ 5 Schutz beschuldigter Personen

 

5.1 Werden durch Hinweise andere Personen beschuldigt, werden diese vom Arbeitgeber unverzüglich hierüber in Schriftform benachrichtigt. Dabei sind ihnen die im Hinweis enthaltenen Vorwürfe mitzuteilen. Auf diese Benachrichtigung kann nur dann temporär verzichtet werden, wenn hierdurch die weitere Sachverhaltsermittlung gefährdet wird. In diesem Fall ist die Benachrichtigung unverzüglich nachzuholen, sobald die Gefährdung nicht mehr gegeben ist. Mitteilungen an beschuldigte Personen dürfen keinen Hinweis zur Identität der hinweisgebenden Person enthalten bzw. Informationen, die Rückschlüsse auf Hinweisgeber ermöglichen.

 

5.2 Die Benachrichtigung beschuldigter Personen durch den Arbeitgeber enthält die datenschutzrechtlich vorgeschriebenen Informationen, etwa zur Rechtsgrundlage der Verarbeitung, zu ihren Zwecken und zu den Rechten der betroffenen Personen.

 

5.3 Beschuldigten Personen steht es frei, sich an den für sie zuständigen Betriebsrat oder an den Datenschutzbeauftragten zu wenden.

 

5.4 Wird vom Arbeitgeber festgestellt, dass mit einem Hinweis vorsätzlich Unwahrheiten sowie unzutreffende oder nur durch Gerüchte begründete Sachverhalte mitgeteilt wurden, werden beschuldigte Personen hierüber informiert.

§ 6 Unzulässiges Verhalten

 

6.1 Es ist bezogen auf Hinweise nach dieser Betriebsvereinbarung unzulässig, diese ohne Grund oder wider besseres Wissen zu geben.

 

6.2 Ein unzulässiges Vorgehen im Sinn der im vorstehenden Absatz genannten Vorgaben kann vom Arbeitgeber mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen belegt werden. Das Verfahren hierzu ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festzulegen. In besonders schweren Fällen kommen arbeitsrechtliche Maßnahmen, bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, in Betracht.

§ 7 Verfahren zur Sachverhaltsklärung nach Mitteilungen

 

7.1 Der Arbeitgeber leitet nach Erhalt einer Mitteilung unverzüglich ein Verfahren zur Klärung des ihm bekannt gewordenen Sachverhalts ein. In diesem Rahmen können Rückfragen an die jeweiligen Hinweisgeber erfolgen. Dabei ist die erforderliche Vertraulichkeit auch dadurch sicherzustellen, dass der Kreis der Personen, denen Namen von Hinweisgebern bekannt sind, auf das mögliche Minimum reduziert bleibt.

 

7.2 Der Betriebsrat wird über das Verfahren sowie seinen Fortgang zeitnah informiert, soweit dem nicht die Rechte der hinweisgebenden Personen oder der beschuldigten Personen entgegenstehen. Unter diesem Vorbehalt kann der Betriebsrat ein Mitglied benennen, dass an Untersuchungsmaßnahmen und einschlägigen Gesprächen teilnehmen kann. Der Betriebsart ist nicht zur Mitwirkung an Ermittlungshandlungen verpflichtet.

§ 8 Rechte des Betriebsrats

8.1 Der Betriebsrat kann die Arbeitnehmer einzeln oder als Gruppe über die vorliegenden Regeln interner Risikokommunikation und ihre effektive Durchführung informieren. Dazu kann er sich Schulungen und anderer geeigneter Mittel bedienen.

 

8.2  Der Betriebsrat unterstützt die Geschäftsleitung bei der Durchführung der in Frage kommenden Vorschriften und bei organisatorischen und technischen Maßnahmen, die dem Hinweisgeberprozess dienen. Zu einer Mitwirkung an Ermittlungshandlungen ist der Betriebsrat nicht verpflichtet. Der Betriebsrat kann analog § 89 BetrVerfG beteiligt werden.

 

8.3 Die Geschäftsleitung erstattet einmal jährlich anlässlich einer Betriebsversammlung Bericht über die interne Risikokommunikation und wesentliche Vorkommnisse bei ihrer Durchführung nach den vorliegenden Regeln. Dabei sollen die berechtigten Interessen der Beteiligten sowie im nötigen Umfang Betriebsgeheimnisse durch Art und Umfang der Berichterstattung gewahrt bleiben. Der Betriebsrat erhält den Bericht rechtzeitig vorab zur Kenntnis. Der Bericht der Geschäftsleitung kann durch einen Bericht des Betriebsrats ergänzt werden, wobei die gleichen Regeln zum Schutz der Betroffenen zu befolgen sind.

 

8.4 Die Regelungen des BetrVG bleiben im Übrigen unberührt.

§ 9 Datenschutz

9.1 Im Rahmen des Verfahrens werden personenbezogene Daten erhoben und gespeichert. Der Umgang mit diesen Daten erfolgt unter Einhaltung der geltenden Datenschutzgesetze, insbesondere der DSGVO. Es werden nur die Daten erhoben und verarbeitet, die für die Zwecke dieser Richtlinie objektiv erforderlich sind.

 

9.2 Die infolge einer Meldung erhobenen Daten werden getrennt und von den übrigen im Unternehmen gespeicherten Daten aufbewahrt. Durch angemessene technisch-organisatorische Maßnahmen ist sichergestellt, dass nur die jeweils zuständigen Personen Zugriff auf diese Daten erlangen. Dies gilt auch für die Daten des Hinweisgebers.

 

9.3 Daten, die im Zusammenhang mit einer Meldung erhoben wurden und die nicht für das Verfahren von Relevanz sind, werden unverzüglich gelöscht. Im Übrigen erfolgt die Löschung der erhobenen Daten grundsätzlich innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der unternehmensinternen Ermittlungen. Kommt es infolge eines Fehlverhaltens im Sinne dieser Richtlinie oder eines Missbrauchs des Hinweisgebersystems zu einem Straf-, Disziplinar-, oder Zivilgerichtsverfahren, kann sich die Speicherdauer bis zum rechtskräftigen Abschluss des jeweiligen Verfahrens verlängern.

 

9.4 Personen, die an dem Verfahren beteiligt sind, darunter auch der Hinweisgeber selbst, können sich jederzeit an den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens wenden, um kontrollieren zu lassen, ob die aufgrund der einschlägigen anwendbaren Bestimmungen bestehenden Rechte beachtet wurden. Sofern eine betroffene Person der Ansicht ist, dass das Unternehmen die Daten nicht im Einklang mit dem geltenden Datenschutzrecht verarbeitet, kann sie Beschwerde bei der Datenschutzaufsichtsbehörde einlegen.

 

Datenschutzbeauftragter: Herr/Frau XYZ, compliance@musterfirma.de, +49 (0) 123/456-789

§10 Schlussbestimmungen

 

10.1 Die Betriebsvereinbarung tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft.

 

10.2  Die Betriebsvereinbarung kann mit der gesetzlichen Frist von drei Monaten gekündigt werden. Nach einer Kündigung wirkt sie insgesamt nach.

 

10.3 Im Falle von nicht beilegbaren Streitigkeiten, die sich aus der Anwendung oder Auslegung der Betriebsvereinbarung ergeben, entscheidet eine Einigungsstelle nach § 76 BetrVG.

 

10.4 Sollten einzelne Punkte der Betriebsvereinbarung ungültig sein oder ihre Gültigkeit aufgrund neuer Gesetzgebung oder Rechtsprechung verlieren, so bleiben die übrigen Bestimmungen hiervon unberührt. In diesem Falle werden beide Seiten für die ungültig gewordenen Punkte der Betriebsvereinbarung eine neue, gültige Formulierung vereinbaren, die dem früheren Sinn soweit wie möglich entspricht.

 
Hat dies Ihre Frage beantwortet?
😞
😐
🤩